Auch Zuhören schafft Nähe

Corona hat Wunsch nach Spiritualität und seelsorglicher Begleitung verstärkt

Wie alle anderen Mitarbeitenden im Krankenhaus auch hüllt sich Pater Thomas jedes Mal in Schutzkleidung ein, bevor er den Infektionsbereich betritt. Er zieht einen gelben Einwegkittel an, streift Einmalhandschuhe über und prüft den korrekten Sitz der FFP2-Maske. Die Hygienevorschriften gelten für alle. Sich deshalb aber vom Infektionsbereich fernhalten, das kommt für ihn nicht in Frage. Er ist schließlich für alle Menschen – Mitarbeitende wie Patient:innen – da, in guten wie eben auch in nicht so guten Zeiten.

Gerade in dieser seit fast zwei Jahren andauernden Ausnahmesituation erfährt er nahezu täglich, dass Spiritualität stärker nachgefragt wird. Seelsorgliche Begleitung, ob durch ihn oder seine Kollegin aus dem Bereich Krankenhausseelsorge, Gertraud Schwab, wünschen sich mehr Patient:innen als in den Jahren zuvor. Das mag in den Augen mancher Menschen an der Unsicherheit liegen, die mit wechselnden Informationen und Auflagen zur Corona-Pandemie einhergeht. Pater Thomas versteht, dass einige Kranke wie auch deren Angehörige unter Isolation leiden. Auch wenn viel über moderne Kommunikationsmittel wie Telefon oder Internet läuft, ein Treffen können sie nicht ersetzen. Ein Besuch bleibe eben ein Besuch „weil er eine viel tiefere Dimension hat, weil man menschliche Nähe hier anders spüren kann“.

Dann, wenn der Wunsch nach menschlicher Nähe groß, das Gemüt von schweren Gedanken übermannt wird, wird oft Pater Thomas gerufen. Mal von den Patient:innen selbst, meistens aber von den Pflegefachkräften oder anderen Kolleg:innen auf Station. „Ganz viele Mitarbeitende haben ein Gespür dafür, ob es einem Menschen gut tun würde, dass ich komme“, erzählt der Ordensbruder. Wenn er davon erzählt, strahlt er die gleiche Ruhe aus wie im Patientenzimmer. Dort hört er meistens einfach nur zu. „Natürlich sind auch menschliche Nähe und Berührungen wichtig und wertvoll, wenn der Patient das möchte“, fügt der Priester hinzu. Und er erklärt, dass Händehalten ohne Handschuhe selbstredend angenehmer sei als mit. Aber Nähe dürfe nicht nur über Berührung definiert werden. So könne auch ein Blick trösten, könne Zuhören Nähe schaffen.

Manchmal reicht es, wenn er einfach da ist und zuhört. Das allein empfänden viele Menschen schon als tröstend. Von „leeren Versprechen“ à la „das wird schon wieder“ hält der Krankenhausseelsorger nicht viel. Schließlich würden die meisten Patient:innen ziemlich genau spüren, wie es um sie bestellt ist. Pater Thomas versucht ihnen dann dabei zu helfen, dass sie ihre Situation annehmen können. Und für Manche gehört dazu auch ein gemeinsames Gebet: „Es sind mehr Menschen im Krankenhaus, als viele denken, denen gemeinsames Beten gut tut. Die Sehnsucht nach Spiritualität und seelsorglicher Begleitung ist da.“

                                            

Marion Hausmann