Brücke zwischen Medizin und Wirtschaft

Medizincontroller:innen sind Organisationstalente mit Verhandlungsgeschick

Foto: Michael Vogl

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Das Medizincontrolling ist eine schnell gewachsene Berufssparte von großer Bedeutung. Mit der Einführung des DRGSystems im Jahre 2003 wurde das Abrechnungssystem für stationär behandelte Krankenhausfälle revolutioniert. DRG steht für „Diagnosis Related Groups“ (diagnosebezogene Fallgruppen). Diese bezeichnen ein Klassifikationssystem für ein pauschaliertes Abrechnungsverfahren, mit dem Patient:innen anhand von medizinischen Daten Fallgruppen zugeordnet werden. Wurde zuvor der Krankenhausfall unabhängig der Art und Schwere der Erkrankung nach Anzahl der Tage der stationären Behandlung abgerechnet, so wird seit 2003 jeder einzelne Krankenhausfall gemessen am Schweregrad und der Intensität der Behandlung vergütet.

Aufgrund der hohen Einflussnahme des DRG-Systems auf die Erlössituation eines Krankenhauses wurde eine professionellere Kodierung und Dokumentation medizinischer Leistungen notwendig. Dies setzt eine lückenlose Dokumentation der individuellen Krankengeschichte sowie des medizinischen und pflegerischen Behandlungsverlaufs voraus. Zudem müssen die Diagnosen und Prozeduren korrekt und vollständig in spezielle Kodes „übersetzt“ werden. „Hierzu zählen Aufnahme-, Verlaufs-, Operations-, Pflege- und Entlassberichte sowie Befunde aus Untersuchungen und Anästhesieprotokolle von Operationen“, erklärt Marion Schönberger.

Anhand der Kodes wird nach einem festgelegten Algorithmus für jeden Fall eine DRG mit einem definierten Relativgewicht ermittelt, das zusammen mit dem Basisfallwert die Vergütung bestimmt. Um diese Diagnosebezogenen Fallgruppen korrekt erfassen und abrechnen zu können, arbeiten die klinischen Kodierassistent:innen auf jeder Station mit einem beauftragten Oberarzt oder einer Oberärztin zusammen. Nur optimierte Prozesse in der Dokumentation und Kodierung sichern die entsprechend des Ressourcenverbrauchs notwendigen Erlöse – und damit die wirtschaftliche Zukunft des Krankenhauses St. Barbara. Daher entwickelte sich schnell eine Berufsgruppe, welche zur Aufgabe hatte, medizinische Inhalte in valide Controlling-Daten zu übersetzen.

Die Verlaufsdokumentation von Ärzt:innen und Pflegefachkräften in der Patientenkurve und -akte samt Übersetzung in die Kodierung bilden hierbei die Grundbasis des operativen Geschäftes. Aufgrund der Fachexpertise bestehend aus medizinischen, gesundheitsökonomischen und betriebswirtschaftlichen Kenntnissen dieser Berufsgruppe übernimmt das Medizincontrolling weitere wichtige Verantwortungsbereiche im Gesamtunternehmen. Insofern gehören Aufgaben wie zum Beispiel Erstellung und Analysen von medizinischen und ökonomischen Kennzahlen genauso zum Tagesgeschäft wie Budgetverhandlungen mit den Krankenkassen, Aufgaben im Qualitätsmanagement oder Verbesserungen von Behandlungsabläufe hinsichtlich einer ökonomisch optimierten Fallpauschalenvereinbarung 2022 und Systematische Verzeichnisse 19 EINBLICK Verweildauer. Um eine Fallpauschale letztlich abrechnen zu können, muss ein Patient eine gewisse Mindestzeit im Krankenhaus verbracht haben – in der Regel sind dies 24 Stunden.

Aufgrund der bisweilen komplexen Abrechnungssystematik entwickelte sich parallel zum DRG-System ein sehr aufwendiges Prüfverfahren samt häufiger Prüfungen mit Blick auf eine korrekte Abrechnung. Die Krankenkassen als Kostenträger überprüfen die Rechnungen der Krankenhäuser und setzen hierfür den Medizinischen Dienst (früher MDK) ein. „Es kommt zu Prüfquoten von bis zu 20 Prozent und zum Teil sehr unterschiedlichen Sichtweisen der verschiedenen Interessensgruppen“, erklärt Tanja Huber. „Ein fundiertes juristisches Urteilsvermögen gehört genauso zu den Eigenschaften eines guten Medizincontrollers wie die Organisation eines professionellen MD-Managements.“ Die Primärkodierung ist wichtiger denn je. Der Aufgabenschwerpunkt des Medizincontrollings liegt auf der Verbesserung von Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität medizinischer Leistungsprozesse.

Wer sich im Bereich Medizincontrolling ausbilden lässt, verfügt in der Regel bereits über eine abgeschlossene Ausbildung oder über einen akademischen Grad. Weiterbildungsangebote richten sich etwa an Ärztinnen und Ärzte, an das Pflegepersonal und andere medizinische Fachkräfte, aber auch an Personen mit Interesse und betriebswirtschaftlichem Verständnis medizinischer Zusammenhänge, etwa Mitarbeiter:innen der Krankenhausverwaltung oder Bilanzbuchhalter. An persönlichen Eigenschaften sollten Bewerber:innen neben einem Interesse an der Medizin auch eine Neigung für wirtschaftliche Prozesse und mathematisches Verständnis mitbringen. Eine gute Organisationsfähigkeit und strukturiertes, logisches Denken sind ebenfalls gefragt. Weiterhin sollten angehende Medizincontroller:innen gute Kommunikationsfähigkeiten mitbringen, da sie sich sowohl in Beratungs- als auch Verhandlungsgesprächen gut ausdrücken können müssen. Somit ist auch Verhandlungsgeschick in dem Beruf gefragt.

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Michael Vogl